Hier mal ein geiles Interview von der GQ für alle die es no net gelesen haben!
GQ 4/2000 - Interview, geführt von Ulrich Lössel
Sein Markenzeichen ist das Halb-bis Dreiviertel-Lächeln. Dazu der blassblaue Blick,lind wie eine Mädchenhandschrift. Manchmal sagt er auch etwas. Aber das ist nicht so wichtig. Ralph Fiennes (sprich: Raif Fains) ist vorallem eins: Gesicht.Er hat ein bißchen etwas von Gary Cooper-irgendwie unberührbar. Er braucht keinen Weichzeichner: Er ist weich. und sanft.
Wenn, wie man sagt, die Augen der Spiegel der Seele sind, ist seine Seele makellos. Er ist ein Mann, mit dem man schweigen kann. Er strahlt die Ruhe eines Zen-Meisters aus, die Scheu eines Knaben.
Ralph Fiennes ist scheinbar genau der Typ des Verlieres, mit dem Frauen gern die Sieger betrügen. "Ich weiß auc nicht, woran das liegt, aber wie es aussieht, bin ich im Film meistens der romantische Held-also der große Loser", amüsiert sich Ralph Fiennes. "Und natürlich scheitere ich meistens im klassischen Stil-also melodramatisch." Seit zehn Jahren im Geschäft, brachte sich der Brite 1993 mit der Darstellung des Nazi-Kommandanten Amon Goeth in "Schindlers Liste" ins Spiel. Wie er mit nacktem Schmerbauch vom Balkon aus KZ-Häftlinge abknallt, ist umso schockierender, weil er kurz danach mit guten Manieren und Charme glänzt. Eine Oscar Nominierung folgte auf den Fuß. Es folgten "Quiz Show", "Strange Days" und natürlich "Der englische Patient". Nach einigen Flops-darunter eine misslungene Kino Reanimation der TV-Kultserie "mit Schirm, Charme und Melone"-konzentrierte sich der versierte Theaterschauspieler Fiennes wieder auf das klassische Fach und spielte in einer vielbeachteten Broadway-Aufführung Shakespeares "Hamlet".
Fiennes Abstecher nach New York hatte allerdings auch persönliche Konsequenzen: Nach dreijähriger Ehe ließ er sich 1997 von der Schauspielerin Alex Kingston scheiden, weil er sich im Big Apple in die wesentlich ältere Schauspielerin Francesca Annis verliebt hatte, mit der er bis heute liiert ist.
Küssen sie gut?
Wie bitte?
Weich und sanft, hart und fordernd oder gleich der Zungenkuss-wie bringen sie Frauen am liebsten in Fahrt?
Wie kommen Sie denn darauf?
Nun, Filmpartnerinnen wie Kristin Scott Thomas, Julianne Moore und Liv Tyler behaupten einstimmig, dass Sie ein sensationell guter Küsser sind.
Wenn sie das sagen, muss es wohl stimmen. Aber das bezieht sich natürlich nur auf Filmküsse.
Nicht so bescheiden. Deborah Kara Unger, ihre Film-Liaison aus Ein Hauch von Sonnenschein, meint sogar, Sie hätten mehr Sexappeal als Mel Gibson.
Ich sehe mich nicht als Don Juan. Ich bin schließlich Schauspieler und kein Hollywood-Star.
Haben sie sich noch nie in eine Filmpartnerin verliebt?
Abgesehen davon, dass ich eher der zurückhaltende Typ bin, konzentriere ich mich meistens so auf meine Arbeit, dass ich für eventuell anfallende Amouren weder die Energie noch Zeit habe. Allerdings ist richtig, dass ich meine jetzige Freundin Francesca Annis tatsächlich während der Proben zu Hamlet kennen gelernt habe.
Und sich gleich haben scheiden lassen.
Darüber möchte ich nicht sprechen.
Bedeutet der Goldring an ihrem Finger, dass Sie wieder verheiratet sind?
Nein.
Im Milleniums Jahr landen Sie in Deutschland mit Ein Hauch von Sonnenschein, Das Ende einer Affäre und Onegin einen echten Film Hatterich...
...was allerdings Zufall ist, das kann man nicht planen. Da ich meine Stoffe instinktiv auswähle und vorallem Wiederholungen vermeiden will, dauert es mitunter sehr lange, bis ich etwas für mich finde. Zuerst war nur Onegin geplant. Ich hatte meiner Schwester Martha versprochen, wenn die bei den Film Regie führt, die Hauptrolle zu übernehmen. Die beiden anderen Filme konnte ich nur machen, weil die Regisseure sich nach meinen Zeitplan gerichtet haben.
Sie bekommen dafür, dass Sie kein Hollywood-Star der A-Klasse sind, verblüffend viele Großaufnahmen.
Vielleicht liegt es daran, dass ich glücklicherweise meistens mit Menschen zusammenarbeite, die-wie ich-das Gesicht für den aufregendsten Körperteil des Menschen Halten. Ich denke da ganz besonders an Robert Redford, der bei Quiz Show Regie führte. Ihm ist alles demonstrativ Deutliche ein Gräuel. Es sind die Zwischentöne, die Nuancen, die zählen. Für mich sagt, ein Augenaufschlag oder ein Lippenkräuseln mehr als hundert Gesten. Nur im Gesicht nehmen Emotionen Gestalt an.
Wie poetisch. Dabei sind Sie für die meisten ein waschechtes Sexsymbol.
Damit kann ich nun überhaupt nichts anfangen. Das ist doch eher die Abteilung Johnny Depp oder Leonardo DiCaprio. Wenn überhaupt, dann bin ich doch eher der romantische Typ.
Glühende Liebesbriefe, blutroter Rosenstrauß, Kerzenlichdinner, Gedichte ins Ohr flüstern. Ja, das volle Programm-und noch einiges mehr.
Sie haben oft den Verführer, aber auch den Verführten gespielt. Welche Rolle liegt Ihnen im Privatleben mehr?
Ich glaube, ich bin eher der, der verführt wird. Wenn ich mich daran erinnere, wie ich als Teenager die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht hatte, war ich sicher nicht der Draufgänger, der ein Mädchen auf Partys erobert hat. Ich stand auf dem Schulhof immer etwas im Abseits und habe mich erst in Richtung Mädchen bewegt, wenn ich wirklich starke Signale bekommen habe. Ansonsten habe ich viel zu viel Angst gehabt.
Sind Sie heute auch noch so schüchtern?
Schüchtern würde ich nicht sagen, aber ich habe über die Jahre ein gutes Selbstschutzprogramm entwickelt. Ich öffne mich anderen gegenüber eher zögernd, warte ab, ob sich ein natürliches Vertrauen zu jemanden entwickelt. Ich kann zum Beispiel nicht auf Kommando charmant oder fröhlich sein, sondern bin immer in der Stimmung, in der ich gerade bin. Smalltalk ist meine Sache sicher nicht.
Wie haben Sie in Hollywood überlebt?
Mit einer Ray Ban. Tag und Nacht. Aber im Ernst: Ich konnte mit der oft aufdringlichen Fröhlichkeit meistens nicht viel anfangen. Ganz schlimm sind Hotels. Selbst im Aufzug und auf dem Klo wünscht dir ständig jemand einen nice day. Es ist surreal.
Wussten Sie, dass Los Angeles den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Prozay hat?
Ein Freund von mir, der von dieser Psychodroge runter ist, meinte einmal: "Man ist zwar immer noch unglücklich, lächelt aber dabei." Da sind mir die Russen schon lieber. Ihnen wird ja oft vorgeworfen, dass sie immer so finster dreinschauen. Mir gefällt das und auch die Idee, dass ein Lächeln ein Geschenk ist. Wenn ich jemanden anlächle, hat das etwas zu bedeuten.
In der Graham Greene-Verfilmung Das Ende einer Affäre spielen Sie einen leidenschaftlichen Lover, der eine verheiratete Frau fast bis zum Wahnsinn liebt. Könnte Ihnen das auch im wirklichen Leben passieren?
Wer kann schon sagen, wo die Liebe hinfällt? Bei mir dauert es sehr lange, bis ich mich verliebe. Ich bin alles andere als leicht entflammbar. Aber wenn ich liebe, dann mit Haut und Haar.
Sind sie eifersüchtig?
Ja, ich war in Ausnahmefällen schon sehr eifersüchtig. Aber im allgemeinen bin ich nicht der "Jealous Guy", von dem John Lennon so inbrünstig singt.
Glauben sie an die große Liebe?
Jedesmal.
Aber die großen Lieben enden meist tragisch.
Wahrscheinlich ist Tragik ein Teil der Liebe. Oder wie Puschkin es einmal formulierte: "Liebe schärft unsere Wahrnehmungsfähigkeit." Ich bin mir sicher, das daraus viel Leid erwächst.
In der Puschkin-Verfilmung Onegin duellieren Sie sich mit einem Mann um die Ehre einer Frau...
...was damals, im 19. Jahrhundert und nicht nur in Russland ganz normal war. Selbst der große Puschkin ist ja an den Folgen eines Pistolenduells gestorben, weil er die Ehre einer Frau retten wollte. Auf der einen Seite finde ich es ziemlich barbarisch, auf der anderen Seite kann ich aber das Alles-oder-nicht.Gefühl sehr gut verstehen.
Hätten Sie im wirklichen Leben keine Angst erschossen zu werden?
Der Tod schreckt mich nicht. Lassen Sie mich mit Hamlet antworten: "Bereit sein ist alles."
Wie weit würden Sie überhaupt gehen, wenn Sie um die Liebe einer Frau kämpfen müssten?
Eigentlich bin ich der Meinung, dass mich eine Frau von sich aus lieben sollte-und ich nicht erst um ihre Liebe kämpfen müsste. Was ich auch nicht ganz begreife, ist, dass Männer den Frauen, die sie ins Bett kriegen wollen, oft die wildesten Lügengeschichten auftischen. Das bringt doch nichts. Es kommt ja doch alles heraus.
Aber dann hat man sie schon im Bett gehabt.
Wie blöd muss man dann dastehen...
Aber lassen wir das. Sie sind also nicht der Typ für einen one-night-Stand?
Ich muss mich weder als Playboy noch als Hollywoodstar profilieren. ich habe absolut kein Interesse, mein Leben danach auszurichten, wie ich in den 20-Millionen Dollar Gagen Club komme oder unsterblichen Ruhm erlange. Natürlich ist der "süße Klang der Verführung" von Zeit zu Zeit auch in meinen Ohren aber bisher hat mir der Sirenengesang nichts anhaben können.
Ist das nicht nur eine schöne Umschreibung für: Ralph Fiennes kann sich nicht gut verkaufen?
Mag sein. Und es ist sicher richtig, dass es im Filmbuisness Leute gibt, die bessere Verkäufer als Schauspieler sind. Es kommt immer darauf an, welche Muskeln man trainiert. Ich habe mich eben-auch wenn es jetzt pathetisch klingt-der Schauspielkunst verschrieben.
Was hat Sie dazu inspiriert?
Das war ganz klar meine Mutter. Sie hat mich und meine Geschwister immer dazu beflügelt, kreativ zu sein. Und vorallem hat sie uns immer dazu angehalten, das zu tun, was wir wollten. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich mit 14 Jahren davon überzeugt war, Soldat werden zu wollen. Sie sagte: "Okay, schau dir einmal eine Kaserne an." Als ich heimkam, war ich von der Idee ein für alle Mal kuriert. Meine Mutter hat uns sehr christlich erzogen und sich dann langsam zum Buddhismus hingelebt. Kurz vor ihrem Tod strahlte sie eine Ruhe und Zuversicht aus, die ich nie vergessen werde.
Sind Sie selbst religiös?
Nicht wirklich religiös, aber ich würde mich durchaus als spirituel bezeichnen. Auf jeden Fall gibt es mehr zwischen Himmel und Erde, als uns die Schulbücher weismachen wollen. Und um die Geheimnisse des Lebens besser begreifen zu können-vielleicht bin ich auch deshalb Schauspieler geworden.
Sieht das ihr Bruder Joseph, der mit Shakespeare in Love ziemlich Furore gemacht hat, auch so mystisch?
Auch für Joseph zählt sicher die künstlerische Wahrheit mehr als der glamouröse Schein. Obwohl ich ihm für seine Rolle als junger Shakespeare durchaus den Oscar gegönnt hätte.
Sie wurden zweimal für den Oscar nominiert. War ihr Bruder eifersüchtig?
Überhaupt nicht. Jeder gönnt dem anderen seinen Erfolg aus volle, Herzen. Im Gegenteil: Wir stehen uns, wo wir können, mit Rat und Tat zur Seite.
Was bedeutet Erfolg für Sie?
Den Mut, die Dinge zu machen, die ich vom Herzen her will. Wenn Leute von Karriereplanung reden, bekomme ich eine Gänsehaut. Wie kann man Erfolg planen? Graham Greene hat einmal gesagt, dass man nur durch Misserfolg wirklich etwas über sich lernt. Man muss sich vom großen Blabla der Welt distanzieren und in sich hineinhören, um etwas Gültiges zu schaffen.
Steckt hinter ihrer sanften Erscheinung vielleicht doch ein Teufel?
Dem Mephisto suchen Sie in meiner Seele leider vergelblich.
"Wenn das Glück etwas so gewaltigem und gewalttätigem die Rache lacht, dann ist es ein Beweis, dass Gott nicht nur existiert, sondern dass du seinen Willen erfüllst."