Der ewige CharmeurHommage an den Schauspieler Ralph FiennesStars gibt es wie Sterne am Himmel, aber kaum ein Stern, der einem ins Auge sticht. Okay, der Nordstern oder das Venuslicht. Und in der Filmwelt? Angenehm, unauffällig auffällig im medialen Film-Star-Geplapper: ein Brite namens Ralph Fiennes.
Nachdem Hollywood und überhaupt die Filmwelt schon seit Ewigkeiten so viele Stars wie der Himmel produziert und dies jedem von uns Filmfreunden (zumindest jenen, die vorgeben, ihr Hirn zu benutzen) längst so was von auf den Wecker geht, ist da jetzt aber mal einer, eh schon des Längeren, den eigentlich auch ich verehre. Warum? Einfach weil er nicht jede schwachsinnige Rolle annahm; weil er in seinen Rollen immer gut war und zurückhaltend und: weil er tatsächlich gut aussieht und sich auch wie ein Star benimmt: zurückhaltend unaufgeregt. Nicht so wie heimische Nicht-mal-Semi-Film-Sternchen, like Nina Prollet, oder wie heißt sie doch gleich?, deren entsetzlich-provinziell und noch dazu urfad-österreichisches Film-Spiel in den "Seitenschnitten" (oder wie heißt diese ORF-Bildungs-Leiste?) so was von anödet, dass ich nicht weiß, ob ich bald zum Stalker werde, mich aber mit Eiern und Slime bewaffne und auf das Blondie mit dem Meidlinger "L" losgehe. Bringt aber nichts. Außer einen Eintrag ins Polizei-Mitteilungsheft.
Stars gibt es wie Sterne am Himmel, aber kaum ein Stern, der einem ins Auge sticht. Okay, der Nordstern oder das Venuslicht.
Schluss mit dem Star-Gejapse
Sie lesen richtig: Irgendjemand muss ja mal dieses ewige Unsere-Freundinnen-lieben-Pitt-oder-Depp und Wir-Typen-stehen-auf-Angelina-oder-Nicole-Gejapse brechen. Allein, helfen wird's sowieso nix. Aber einen Versuch ist's mir wert.
Vor wenigen Tagen also sehe ich mir im Kino "The Constant Gardener - Der Ewige Gärtner" an. Das Feuilleton las ich vorher nicht (tu' ich übrigens immer öfter nicht, weil's einfach wohltuend ist, sich selbst eine Meinung zu bilden), wusste auch nichts um die John-Le-Carré-Vorlage, eigentlich gar nix. Und dann taucht bald dieses Insert auf: Starring Ralph Fiennes. Yeah!!!
Na dann mal los: Justin Quayle (Ralph Fiennes), Diplomat im britischen Hochkommissariat in Nairobi und begeisterter Hobbygärtner, führt ein beschauliches Leben - bis zu dem Tag, an dem seine junge Frau Tessa (Rachel Weisz) ermordet aufgefunden wird. Justin macht sich auf die Suche nach dem Mörder und entdeckt, dass die rebellische Tessa einem Komplott auf der Spur war. Eine äußerst fein gesponnene Geschichte mit vielen 35mm-Wackelbildern und recht authentischen Alltags-Szenen aus Kenia. Anschauen!
Biografisches
Die wunderbare Ausstrahlung des gelernten Bühnenschauspielers der Londoner RADA lässt nicht vermuten, dass Ralph Fiennes zunächst Maler werden wollte und für diese Kunstrichtung an der Londoner Chelsea School of Art studierte, bevor er ins Schauspielfach wechselte. Das älteste von sechs Kindern des Fotografen Mark Fiennes und der Schriftstellerin Jini Fiennes alias Jennifer Lash bekleidete Rollen am National Theater und spielte mit der Royal Shakespeare Company.
Erste kleine Filmrollen sind seit 1983 belegt. Seine bekannten größeren Rollen datieren allerdings erst vom Anfang der 90er Jahre. Mit Juliette Binoche steht er für eine Neuverfilmung des Emily-Bronte-Romans "Stürmische Höhen" (1992) vor der Kamera. Eine tragende Rolle zwar, aber der Film unter dem Titel "Stürmische Leidenschaft" konnte das englische Publikum nicht überzeugen.
Quiz-Master & Nazi
Auch Robert Redfords durchweg gelungene Skandal-Aufarbeitung "Quiz Show" (1994) über die TV-Show-Machenschaften in den 1950ern gilt noch nicht als der Durchbruch für den Schauspieler. Der stellte sich 1994 mit Steven Spielbergs siebenfach gekröntem Oscar-Melodram "Schindlers Liste" ein, in dem Fiennes den Schauer einflößenden KZ-Kommandanten Amon Goeth spielt, den ideologisch überzeugte Herrscher über das Lagerleben. Diese Rolle brachte Fiennes eine Oscar-Nominierung für die beste Nebenrollen ein. Es folgen "Das Wunder von Macon" (1993) und "Strange Days" (1995).
Als Patient zum Oscar
1997 wird Anthony Minghellas neunfacher Oscar-Abräumer: "Der englische Patient" das Kinoereignis Hollywoods. Fiennes überzeugt neben Kristin Scott Thomas und Juliette Binoche in der Titelrolle dieses Stücks großen Gefühlskinos. Als dem Tod geweihter Flugzeugpilot lässt er in den Fieberträumen seine bewegten, letzten Lebensjahre Revue passieren. Ralph Fiennes wirkt auch hier angenehm unaufdringlich und zeichnet sich dennoch durch große Präsenz aus - eine interessante und auch für weitere Filme viel versprechende Mischung.
Etwa in Gillian Armstrongs Literaturverfilmung "Oscar und Lucinda" (1997), in der sich Fiennes in Cate Blanchett verliebt (das ist die nächste in meiner Reihe zum Thema: wahre Stars), oder in István Szabos "Sunshine - Ein Hauch von Sonnenschein" (1999).
1999 spielte Fiennes zusammen mit Liv Tyler erstmals auch unter der Regie seiner Schwester Martha, die mit "Onegin" den Versroman "Eugen Onegin" von Alexander Puschkin verfilmte. In dem Drama "Das Ende einer Affäre" (1999) war erneut Julianne Moore seine Partnerin. Dazu kamen noch Fiennes-Rollen in "Roter Drache" (2002) oder in "Spider" (2002) und einige weitere für mich absolut überzeugende Rollen.
Ralph, ich steh auf dich! Du ewiger Charmeur. Hoffentlich macht ihn das jetzt nicht wütend, aber es gibt ja eh Anti-Stalking-Gesetze. Nicht nur in Österreich, jenem Land, das es am nötigsten hat. Anti-Stalking-Gesetz brauchen wir ja nur, um uns im Zentrum der Welt, also in Österreich, nur ja selbst zu versichern, dass wir ebenfalls Stars haben. Aber wie Thomas Bernhard schon sagte, sind "die Politiker die Totengräber der Kunst". Und also würde ich als Analogieschluss heranziehen, die Stars oder solche, die denken, sie wären welche, oder solche, denen eingeredet wird, sie seien welche, sind naturgemäß die Totengräber des Films.
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Text: Peter Waldenberger · 14.02.2006
Quelle:
http://oe1.orf.at/highlights/52813.html