An diesem Film scheinen sich ja die (britischen und deutschen) Geister zu scheiden. Die britischen Kritiken waren überwiegend positiv, die deutschen haben ihn mehrheitlich verrissen.
Ich habe allerding zwei postive deutsche bzw. deutschsprachige Kritiken gefunden (eine ist aus der Schweiz):
http://film.blog.sf.tv/2011/02/wortgewaltig.htmlRalph Fiennes brennt wieder
Von Nathalie Jancso
Ich habe mit seinem schmierigen Lenny mitgefiebert, der in „Strange Days" durch die Strassen von L.A. um sein Leben rannte, habe mit ihm geheult, als er als Graf Almásy in „The English Patient" seine geliebte Kristin Scott-Thomas nur noch tot aus der Höhle in der Wüste tragen konnte, und mich vor seinen kalten blauen Augen in „Schindler's List" geekelt. Und dann ist da noch sein Voldemort, eine Karikatur des Bösen. Ralph Fiennes ist manchen in Nahaufnahme auf Grossleinwand fast zu intensiv. Drum taugt er auch nicht als sanfter romantischer Held, etwa in „Maid in Manhattan". Und deshalb war wohl auch das Theater in den letzten Jahren sein bevorzugter Spiel-Platz.
Doch es gibt Stoffe, da passt seine Intensität. Fiennes ist mit dem Wettbewerbsbeitrag „Coriolanus" sozusagen zu seinem Kerngeschäft zurückgekehrt: Er spielt Shakespeare. Neben der Hauptfigur zeichnet er auch für die Regie und ist Produzent. Mit der Verfilmung des eher unbekannten Stücks, das er auch schon am Theater gespielt hat, hat er sich angeblich seit über zwei Jahren beschäftigt - obsessiv, wie man sich denken kann.
Der Film beginnt, als wäre er aus aktuellen Newsbildern aus Ägypten zusammengeschnitten: Die Leute von der Strasse begehren auf, sie fordern Brot und den Kopf des Generals Caius Martius (Fiennes). Dann konzentriert sich die Handlung auf die Hauptfigur, ebendiesen General, der nach seinem letzten Feldzug den Übernamen Coriolanus erhält. Vom ungeliebten Kriegshelden wird er zum verbannten Konsuln, vom verbitterten Verräter zum Friedensstifter wider Willen. Von der Mutter (Vanessa Redgrave), die stolz ist auf jede Narbe an seinem Körper, wurde er geformt. Die Auseinandersetzung mit seinem grössten Widersacher, dem Rebellenführer Tullus Aufidius (Gerard Butler), ist ein steter Kampf um Leben und Tod und gleichzeitig eine Hassliebe der besonderen Art - die Kampfszenen zwischen den beiden sind denn auch erotischer aufgeladen als in manch anderen Filmen Liebesszenen.
Hier darf Fiennes mit brachialer Gewalt seine Intensität wieder brennen lassen. Die zeitlose Geschichte Shakespeares im modernen Setting und die Darsteller, allen voran Fiennes, haben durchaus Chancen einen Bären zu erobern. Doch den meisten Zuschauern dürfte das eher wieder zu viel sein, zu viel überzeichnete Emotion und zu viele gewaltige Worte. Und so wird Fiennes der jüngeren Kinogeneration wohl weiterhin vor allem als fratzenhafter Voldemort in Erinnerung bleiben.
http://m.welt.de/article.do?id=kultur%2Fberlinale-2011%2Farticle12541271%2FRalph-Fiennes-zeigt-Shakespeare-brutal&cid=kultur-kino"CORIOLANUS"
Ralph Fiennes zeigt Shakespeare brutal
In "Coriolanus" von und mit Ralph Fiennes geht es um einen Krieger, der kein Politker werden kann, und ohne Vorwand tötet. Ein Film wie eine Faust.
Könnte inzwischen überall sein. Das Volk erhebt sich. Es hat kein Brot, wie andernorts – in Ägypten, im Iran, in Burma –, zu einer anderen Zeit – heute oder morgen – das Volk keine Arbeitsplätze, keine Zukunft hat. Ein Mann tritt ihm entgegen. Hochmütig. Uniformiert. Ein Soldat. Ein stolzer Kerl mit brutalem Blick inmitten von vernarbter Gesichtshaut.
Die Armee marschiert auf in schwarzen Panzern, hinter Schilden. Das Volk spuckt. Der Mann schaut verächtlich. Die Soldaten schlagen. Der Mann heißt Gaius Martius. Das Volk sind die Römer. Das Stück, in dem sie spielen, heißt „Coriolanus“. Ralph Fiennes hat es nun endlich aus dem Abseits des Theaterspielplanes geholt und auf bezwingend logische Weise dahin gebracht, wo es vielleicht am ehesten hingehört: auf die Leinwand.
EIN MÄNNERDING, EIN STAATSSTÜCK
Ein später Shakespeare. Keine Rede mehr von Romantik im Text, kein Hauch von Liebe. Es ist ein Männerding, ein Staatsstück, ein kantiges Spiel um Macht und Krieg, Demokratie und Diktatur und ein wankelmütiges Volk. Und um einen Tribunen, der es nicht schafft, sich beliebt zu machen, der sich verrennt, verbannt wird, in der Irre verreckt. Von einem Rom auf dem Weg zur Weltmacht handelt „Coriolanus“, das im Innern zerrissen zu werden droht zwischen Patriziern und Plebejern, sich im Äußern gegen Angriffe der aufbegehrenden, unterdrückten Volsker unter Tullius Aufidius erwehren muss (wie – vergleichen wirs mal – Putin der Tschetschenen).
Gaius Martius ist Roms General. Blutig ist er, ein Krieger, so zeigt ihn Ralph Fiennes in jeder seiner Bewegungen, jeder seiner Reden. Aus Blutbädern geht er neugeboren hervor. Narben trägt er wie ein Banner vor sich her. Sein Leben riskiert er für das Reich. Das muss doch reichen. Er muss sich dem Volk doch nicht andienen.
CORIOLANUS SOLL POLITIKER WERDEN
Seine Mutter (Vanessa Redgrave) verlangt aber den Kompromiss von ihm, will an die Macht. Sie hat ihn zum Krieger geformt, jetzt will sie ihn zum Politiker formen. Er soll Konsul werden. In der Galauniform aber, im Fernsehstudio, unterm Volk gehorcht ihm sein Körper nicht mehr, verweigert sich dem Kompromiss. Wie Fiennes das macht, wie er die Energie in Coriolanus da fehlgeleitet, ausgestellt, explodieren lässt, ist schon jetzt ein Höhepunkt der Berlinale.
Man hört Shakespeare (eine Wohltat nach all dem angekauten amerikanischen Englisch). Man sieht aber Belgrad, ein überzeitliches Bürgerkriegsgebiet. Eine zeitlose Parabel hat Fiennes aus „Coriolanus“ gemacht, die sich jeglicher direkter politischer Botschafterei wohltuend enthält, einen Film wie eine Faust.