mal wieder ein älteres interview ...
Einen ganzen Tag nackt am Set
… überstand Ralph Fiennes ganz locker. Im Kinohit „Roter Drache“ spielt der smarte Brite einen Serienkiller – und hatte einen Mordspaß dabei.
Blasse, fast durchsichtige Haut, schmächtige Figur und etwas zu schmale Lippen – auf den ersten Blick wirkt Ralph Fiennes, 39, keineswegs wie ein romantischer Held. Dennoch bringt der britische Schauspieler Frauen reihenweise zum Schmachten. In seinem neuen Film „Roter Drache“ spielt er mal keinen Herzensbrecher, sondern einen psychopatischen Serienmörder. Gala traf Ralph Fiennes in New York.
Wollen Sie Ihre weiblichen Fans schocken oder warum der Wandel vom Ladykiller zum Serienkiller?
(lacht) Ich, ein Ladykiller? Sie schmeicheln mir. Ich werde so gut wie nie von Frauen angesprochen. In „Schindlers Liste“ habe ich ja schon mal einen Bösewicht gespielt. Ich mag einfach die Abwechslung.
Sie haben aber sehr wenig von einem Psychopathen …
Nett, dass Sie das sagen. Aber Sie haben mich noch nicht mit meinem Handy erlebt. Ich bin total handyverrückt, kann es einfach nicht ausschalten. Meine Freundin Francesca ist ständig sauer auf mich. Aber im Ernst: Ich habe die Rolle des Francis Dolarhyde als Herausforderung gesehen. Ich wollte jemanden darstellen, der zwar eine menschliche Seite hat, aber eben psychisch krank ist.
Können Sie sich in so jemanden hineinversetzten?
So gar nicht. Dolarhyde wurde als Kind missbraucht. Ich hatte eine liebevolle Familie. Daher kenne ich diese finsteren Gefühle nicht. Aber als Schauspieler muss man so was spielen können. Und, hey: Ich habe diese traumhafte Tätowierung auf dem Rücken und darf einen Boulevardjournalisten verspeisen. Da konnte ich nicht Nein sagen.
War das Aufmalen eine lange Prozedur?
Es hat acht Stunden gedauert. Aber wir hatten nur drei Drehtage, an denen man das Tattoo sieht. Das waren auch die Tage, als ich dauernd nackt am Set herumlief.
Die Künstlerinnen, die Ihnen das Tattoo aufgemalt haben, waren davon begeistert …
O ja? Was haben sie gesagt?
Das Sie einen tollen Körper haben.
(kriegt leicht rote Wangen) Es ist schon eine komische Erfahrung, wenn alle auf einen starren – ich habe mich wie ein Sexobjekt gefühlt. Aber ich habe kein Problem mit Nacktheit. Ich weiß gar nicht, warum ständig darüber geredet wird.
Vermutlich, weil es in Hollywood wenig nackte Männer gibt, die am Drehort schon mal das Handtuch weglassen …
Sagt man das? Sehr lustig. Ich musste während der Dreharbeiten einen ganzen Tag nackt am Set sein. Und als ich mir in einer Pause mal einen Kaffee holte, habe ich mir nicht das Handtuch um die Hüften gewickelt. Ich meine, irgendwann hatte jeder alles gesehen. Regisseur Brett Ratner, meinte, ich könnte meine Unterhose in der Szene tragen. Aber ich hielt das für unrealistisch – wer trägt noch eine Unterhose, wenn er die Nacht mit einer Frau verbracht hat?
Es wird gewiss keine Klagen geben. Im Film wirken Sie so gruselig wie Hannibal Lecter. Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?
Edward Norton hat mir Bücher über Serienkiller gegeben. Außerdem habe ich einige FBI-Akten gelesen und war in einer psychiatrischen Anstalt. Keine gute Erfahrung. Aber es ist schon faszinierend, was manche Menschen alles tun.
Welche Körperteile würden Sie wählen, wen Sie ein Kannibale wie Lecter wären?
Hmm, mal nachdenken. Was wäre wohl der fleischigste Teil? Der Hintern? Ich würde wohl das Schlachtprinzip bei Kühen kopieren und ein Stück Rücken wählen.
Wovor haben Sie Angst?
Vor dem echten Leben. Ich glaube, ich bin Schauspieler geworden, um dem zu entfliehen.
Dabei scheinen Sie ein ruhiges Leben zu führen. Über Ihre langjährige Freundin Francesca Annis und Sie liest man sehr wenig.
Das liegt daran, dass wir nicht ständig in In-Clubs hängen und uns nicht in auffälligen Klamotten fotografieren lassen.
Spielen Sie damit auf Jennifer Lopez an, mit der Sie den Film „Maid“ gedreht haben?
Ich sage nur, dass es Leute gibt, die die Presse gezielt für ihre Zwecke nutzen. Zum Beispiel ein Dinner mit mir durchsickern lassen, um auf sich aufmerksam zu machen. Und mich anschließend zu verlassen – für Ben (lacht).
Autor: Julide Tanriverdi
Quelle: Gala 2002