"Meistens brodelt da nichts"
Ralph Fiennes über Gartenarbeit, Liebesszenen im Kino und durchschnittliche RomantikMister Fiennes, hatten Sie vor den Dreharbeiten zum Film "Der ewige Gärtner" irgendwelche Erfahrungen mit der Gärtnerei?Als Kind habe ich mir mit Gartenarbeit bei den Nachbarn etwas zum Taschengeld dazu verdient. Sie sehen, ich war perfekt auf diese Rolle vorbereitet.
Welche Eindrücke brachten Sie von den Dreharbeiten aus Afrika mit?Einerseits war ich schockiert über die unvorstellbare Armut. Aber andererseits war ich überwältigt von der Warmherzigkeit und der Freude, mit der ich dort empfangen wurde. Diese Menschen haben nichts und sind trotzdem bereit, das Wenige mit dir zu teilen. Diese Bilder werde ich für immer in meinem Herzen tragen. Die Reisen nach Afrika haben mich verändert.
Auf welche Weise?Mir waren die Probleme des Kontinents zwar bekannt. Aber man kennt diese Bilder ja eigentlich nur aus dem Fernsehen. Es ist etwas ganz anderes, wenn man dann plötzlich direkt davor steht. Als ich zum ersten Mal in Afrika war, wollte ich sehr naiv spontan helfen. Und aus diesem Impuls heraus macht man als Europäer viele Fehler, weil doch vieles gar nicht so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Mittlerweile weiß ich, dass man diese Hilfe Profis überlassen sollte. Als britischer Botschafter für Unicef versuche ich meinen Teil dazu beizutragen. Und das tue ich gerne.
Apropos Herz: Die Liebesszenen mit Rachel Weisz in "Der ewige Gärtner" sind erstaunlich - so intim. Wie ist Ihnen das gelungen?Indem wir uns nicht an das Drehbuch gehalten haben. Ich habe mit Rachel zuerst etwas herumgealbert. Und dann haben wir schlicht versucht, so zu sprechen, wie man eben spricht, wenn man über beide Ohren verliebt ist. Das ist nicht einfach, wenn man nur eine Unterhose trägt und an die 30 Leute um einen herumstehen. Aber ich habe mich an diese Gäste in meinem Schlafzimmer gewöhnt.
Nach "Maid in Manhattan" waren Sie plötzlich für Jahre von der Bildfläche verschwunden. Wo haben Sie gesteckt?Ich habe Theater gespielt. Und irgendwie hatte in dieser Zeit niemand ein gutes Drehbuch, mit dem er mich locken konnte. Ich verlasse mich da immer sehr auf meinen Instinkt, und es fühlte sich einfach nichts richtig an. Übrigens bin auch keineswegs dieser verschrobene, übersensible Künstler, für den mich vielleicht viele halten. Ich gehe gern aus dem Haus, und ich arbeite gerne. Es muss eben das richtige Angebot sein. Ich bin jedenfalls nicht in der Versenkung verschwunden, weil ich das kommerzielle Kinogeschäft satt gehabt hätte. Hinzu kommt, dass ich leidenschaftlich gern auf der Bühne stehe.
Weil Sie bekommen, was vor der Kamera fehlt? Applaus zum Beispiel?Ich liebe Applaus. Es ist diese Verbindung zum Publikum und die Energie, die ich dadurch spüre, die ein wenig süchtig macht. Das fehlt mir bei Dreharbeiten schon. Andererseits kann ich vor der Kamera Momente erzeugen, die wesentlich intimer sind als auf einer großen Bühne. Und diese Momente fehlen mir, wenn ich zu lange Theater gespielt habe. Im Theater habe ich nur eine Chance, die Szene gut zu spielen. Beim Film kann ich die Szene wiederholen, wenn ich nicht zufrieden bin. Das ist ein Vorteil, denn ich bin nie zufrieden mit mir.
Was meinen Sie, woher Ihr Image eines übersensiblen Künstlers kommt?Ich bin Brite. Und wie Sie wissen, zeigen wir Briten nie unsere Gefühle. Wahrscheinlich wirkt es deshalb so, als ob hinter meiner Fassade etwas brodelt. Ich muss Ihnen gestehen: Meistens brodelt da nichts.
In der Regel spielen Sie den romantischen Liebhaber. Wie romantisch sind Sie im wirklichen Leben?Fragen nach meinem Privatleben beantworte ich eigentlich nicht gerne, denn dann wäre es nicht mehr privat. Wenn ich eine Rolle spiele, habe ich das Gefühl, in einen anderen Menschen hinein zu schlüpfen. Natürlich benutze ich beim Spielen Teile meines Erfahrungsschatzes. Aber in der Regel haben meine Rollen nicht besonders viel mit mir zu tun. Ich muss nicht romantisch sein, um einen Romantiker zu spielen. Aber da Sie nun schon einmal gefragt haben: Ich halte mich für ganz normal, durchschnittlich romantisch. Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht enttäuscht.
Das Interview führte Christian Aust.
Quelle:
berlineonline.de