Ich kann Chaos nicht ertragen
Kaum einer kann so eindringlich, sensibel und melancholisch gucken wie er. Ralph Fiennes (43), der Sohn eines Fotografen und einer Schriftstellerin, zieht die Zuschauer vor allem durch diese Blicke in seinen Bann: Unvergessen jene in dem mit neun Oscars prämierten Liebesfilm „Der englische Patient“ (1996). Bald können wir wieder auf der Leinwand mit ihm schmachten, in John le Carrés Romanverfilmung „Der ewige Gärtner“.
Haben Sie viel von John le Carré gelesen?
Ich habe alle seine George-Smiley-Romane verschlungen, außerdem „A perfect spy“ und natürlich „Der ewige Gärtner. Ich mag die Rolle sehr, weil Justin, die Hauptfigur im Film, ein sehr unaufdringlicher, introvertierter Typ ist – ein ganz normaler Mann eben, der nicht den Helden spielt.
Sie gelten auch als introvertiert …
Man hat mir durchaus schon ähnliche Verhaltensweisen vorgeworfen. Ich kann manchmal sehr verschlossen sein, vor allem, wenn ich mich unter Druck gesetzt fühle. Aber ich bin nicht immer reserviert. Es kommt sehr auf die Situation an. Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass ich Engländer bin, genau wie Justin.
In Ihnen sehen viele Frauen den einfühlsamen Mann, der sehr verschlossen ist – und dem man das Tor zum Garten der Träume öffnen könnte …
Ich wollte Schauspieler werden, weil ich schon immer das Theater liebte. Als Hauptdarsteller in Filmen kommt es natürlich oft vor, dass sich die Leute, und auch Frauen, ein bestimmtes Bild von einem machen – alle möglichen Dinge werden auf deine Person projiziert. Wenn genug Leute genug tolle Dinge über dich sagen, dann siehst du dich irgendwann selbst in einem anderen Licht. Aber Schauspieler gehen ganz normal ihrem Leben nach, wie andere Menschen auch.
Und wie sieht Ihr ganz normales Leben aus?
Ich stehe jeden Morgen früh auf. So zwischen sechs und sieben Uhr. Ich mache mindestens eine Stunde Yoga. Dann räume ich auf. Ich mag es, wenn alles ordentlich und sauber ist. Das ist eine Macke von mir, ich weiß. Aber ich kann Chaos in meinem Lebensraum nicht ertragen. Ich wohne in einem sehr unspektakulären Londoner Stadtteil (in Hammersmith), habe keinen Computer und kein Auto.
Ihre Mutter zog nicht nur sechs Kinder groß, davon fünf erfolgreiche Künstler, sondern war auch eine angesehene Autorin. Was war das Wichtigste, das Sie Ihnen vermittelt hat?
Sie hatte starke Prinzipien, wenn es um uns Kinder ging: Sie bestand darauf, dass wir unsere eigene Persönlichkeit entwickelten. In unserem Haus gab es immer Malstifte, Farben und viel Papier zum Zeichnen. Bücher waren sehr wichtig, und meine Mutter las uns oft vor. Sie war sehr gut darin, uns anzuspornen, unsere Projekte zu Ende zu bringen und zum Beispiel Bilder fertig zu machen. Ich habe von ihr gelernt, dass man nicht einfach aufgeben kann, wenn eine Situation schwierig ist.
Ihr Vater war früher Bauer auf einer kleinen Farm …
Ja, und aus mehreren Gründen war er damit nicht sehr erfolgreich. Eines Tages beschloss er, Fotograf zu werden, doch das mit den Aufträgen war schwierig. Er improvisierte, um uns alle durchzufüttern. Manchmal mussten wir, Möbel oder ein Bild verkaufen, das etwas wert war. Meine Kindheit war ziemlich ärmlich. Aber wir wurden immer geliebt.
Autor: unbekannt
Quelle: Freizeitwoche